Radio vs. Radio 2.0 (2/2) Vom „Nebenbei“- zum „Mitmach“-Medium?

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Gemessen an Statistiken zur Mediennutzung haben Hörfunkformate im Social Web nur einen mäßigen Erfolg. (siehe: Radio vs. Radio 2.0 (1/2)) Trotzdem führen Radioexperten die zuletzt steigenden Hörerzahlen auch auf das Social Web zurück. Die Symbiose zwischen den beiden Medien Radio und Internet erklärt diesen vermeintlichen Widerspruch und könnte sogar den ewigen „Radiowunsch“ von Bertolt Brecht wahr werden lassen.
Die Tatsache, dass klassische Radiosender Anwendungen des Social Web nutzen, um sich zu präsentieren und mit Hörern zu kommunizieren, gilt in der Radioszene als ein Erfolgsrezept – so schrieb der Geschäftsführer der ‚Radiozentrale‘, Lutz Kuckuck:
„Zugewinne werden heute in erster Linie über die digitale Verlängerung gemacht. Die Programmverantwortlichen haben ebenso konsequent wie unaufgeregt die digitalen Möglichkeiten genutzt – von der Radio-App unterwegs auf dem Handy oder Notebook bis hin zu den zusätzlichen Einschaltimpulsen durch die Fanpages in den sozialen Netzwerken.“
Aus dieser Perspektive liegt die Zukunft des Radios also in der Konvergenz zwischen dem konventionellen Radio und dem Social Web. Statistiken zeigen, dass Radiosender versuchen sich an dieser These zu orientieren. Insbesondere das gefragte Netzwerk Facebook spielt dabei eine zentrale Rolle. Online können die Facebook- und Twittercharts der Radiosender genauer betrachtet werden:
Insgesamt sind mit 205 Sendern bereits über 80% der privaten Hörfunkanbieter bei Facebook vertreten. Auch die öffentlich-rechtlichen Anbieter sind im Social Web dabei: 60 Programme besitzen ein Profil in dem sozialen Netzwerk. Zusammengezählt kommen alle deutschen Sender auf gut drei Millionen „Fans“, die das Angebot der Radiosender bei Facebook wahrnehmen – die Tendenz ist steigend.
Dazu kommen noch „Radio-Communitys“ wie beispielsweise die von 1LIVE und MDR Sputnik, die diesen Trend mit eigenen Netzwerken aufgreifen.
Auf den Seiten der Netzwerke hat der Hörer die Möglichkeit Themen zu diskutieren, Inhalte nachzuhören oder auch selbst „Content“, in Form von Bild-, Video- oder Audiomaterial, zur Verfügung zu stellen.
Für die Methode das Radio auf diesem Weg in das Zeitalter des Social Web zu integrieren sprechen auch die Daten und dazugehörigen Analysen der ARD/ZDF-Onlinestudie. Diese besagen, dass die Motivation der aktiven Teilnahme im Rahmen von sozialen Netzwerken höher ist, als bei den einzelnen Anwendungen (Blogs, Podcasts, Wikis) selbst.
Das Radio könnte also mithilfe der Netzwerke im Social Web eine Kompetenz erlangen, die bereits zu den Anfangszeiten des Radios vermisst wurde. Bertolt Brecht sprach, in seinen frühen Überlegungen zum Thema Radio, diese fehlende Kompetenz erstmalig an:
„Der Rundfunk wäre der denkbar großartigste Kommunikationsapparat des öffentlichen Lebens, ein ungeheures Kanalsystem, d.h., er würde es, wenn er es verstünde, nicht nur auszusenden, sondern auch zu empfangen, also den Zuhörer nicht nur hören, sondern auch sprechen zu machen und ihn nicht zu isolieren, sondern ihn in Beziehung zu setzen. Der Rundfunk müsste demnach aus dem Lieferantentum herausgehen und den Hörer als Lieferanten organisieren.“
Ansätze und Möglichkeiten für die Erfüllung des ewigen ‚Radiowunsches‘ von Brecht gibt es im Social Web zu genüge. Wenn das Prinzip der Partizipation und Interaktivität also schon nicht über komplett neuartige Hörfunkformate durchgesetzt werden kann, dann könnte jedoch die Kombination aus altbewährtem Radioprogramm mit den modernen Anwendungen des Social Web dem Radio eine neue Qualität verleihen.
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- Nick Marten
- 11.02.2012
- Klangkultur, Klangwelten
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